64 Jahre Auf und Ab
Die Erneuerung der Dichtung des Dammes war nötig geworden, weil das 1954 fertiggestellte Bauwerk nach 64 Jahren Auf- und Abstau die üblichen Alterserscheinungen zeigte. Umgehend wurde ein zweistufiges Konzept entwickelt und umgesetzt: In der ersten Phase wurde der Dammgrund durch gezielte Zement-Injektionen vorbereitet. Durch diese Vorab-Injektionen von Zement an zahlreichen ausgewählten Stellen wurde der Untergrund gefestigt und für die Einbringung einer Erdbetonschlitzwand vorbereitet. Zusätzlich wurden weitere Messeräte für ein begleitendes Monitoring eingebracht und ergänzende Informationen über den Baugrund zur Planung der zweiten Phase gewonnen. In dieser zweiten Phase wurde von der Dammkrone aus die Erdbetonschlitzwand mit überlappenden Lamellen eingebracht. Außerdem wurde ein neuartiges Glasfaser-Erfassungssystem eingebaut, das die bisherigen Messeinrichtungen ergänzt. Ab April 2018 wurden die über den Damm führende Straße und die Dammkrone wieder hergerichtet. Die Freigabe für den allgemeinen Verkehr konnte pünktlich vor dem Start der bayerischen Sommerferien am 27. Juli 2019 erfolgen.
Landrätin Maria Rita Zinnecker im Gespräch mit Allgäu TV.
Baustelle trotz Eis, Schnee oder Hitze
Begonnen haben die Bauarbeiten im April 2018 mit Erkundungsbohrungen am Damm. Im April 2019 wurde mit der 77sten Lamelle die Erdbetonschlitzwand ausgehoben. Diese letzte Lamelle bildete zusammen mit den bereits erstellten 76 weiteren Lamellen eine durchgehende Erdbetonschlitzwand über eine Länge von ca. 226 Metern und damit über die gesamte Länge des Dammes. Die Schlitzwand wurde ab Mitte Oktober 2018 mit nur zwei Wochen Weihnachtspause ohne eine Winterunterbrechung in Tag- und Nachtschichten an sieben Tagen in der Woche in einer Bauzeit von nur sechs Monaten fertiggestellt.
Angesichts der technischen, geologischen und klimatischen Bedingungen einer Baustelle am Fuß der Allgäuer Alpen auf fast 800 Meter Höhe ist das eine bemerkenswert kurze Zeitspanne. Zu den besonderen Herausforderungen während der Erstellung gehörte neben den Wetterkapriolen der große Anteil an zu fräsendem Fels, weswegen die Zähne der Fräse stark beansprucht wurden: Insgesamt wurden über 4.700 Fräszähne aus Widia-Stahl verschlissen. Auch die schmale Dammkrone und die nicht mittig verlaufende Achse der Erdbetonschlitzwand stellten besondere Anforderungen dar. So erhielt die Schlitzwandfräse eine eigens konzipierte und von der beauftragten Firma Bauer Spezialtiefbau gebaute Verdreheinrichtung, die das Arbeiten mit dem 42 Tonnen schweren Fräskopf seitlich versetzt zum Fahrgestell ermöglichte. Um während der winterlichen Temperaturen weiterarbeiten zu können, wurde zudem die Aufbereitungsanlage der Stützsuspension komplett eingehaust und beheizt. Im Januar 2019 stellte auch der starke Schneefall eine weitere Herausforderung dar, weil die Arbeitsbereiche weitgehend schneefrei gehalten werden mussten.
Insgesamt wurden knapp 17.000 Kubikmeter Erdbeton für die Schlitzwand verbaut. Die längsten Lamellen mit bis zu 70 Meter Tiefe befinden sich im rechten Bereich des Damms. Die kürzesten Lamellen sind 20 bis 25 Meter tief und befinden sich an den jeweiligen Seiten des Damms hin zur Uferböschung. Die Schlitzwand steht bis zu 30 Meter tief im gewachsenen Fels unter dem eigentlichen Dammkörper und wird die Standsicherheit des Dammes für die nächsten Jahrzehnte gewährleisten. Das neu eingebaute Glasfasermesssystem ist vergleichbar einer Sickerwassermessung, wie sie im modernen Staudammbau in weiten Teilen der Welt Standard ist, stellt aber eine neue Technik dar und erlaubt eine noch intensivere Überwachung des Dammes. An insgesamt 14 Messsträngen werden die Temperaturen im Dammkörper über die gesamte Bauwerkshöhe kontinuierlich gemessen. So ist es möglich, nahezu in Echtzeit potenzielle Schwachstellen mittels Temperaturveränderungen lagegenau zu lokalisieren. Durch ein zusätzliches Aufheizen der Kabel kann zudem festgestellt werden, ob unerwünschte Sickerströmungen im Bauwerk vorhanden sind. Der Einbau dieses Glasfasermesssystems ist ein weiteres Element der Sicherheitsphilosophie bei der Überwachung der Dammsicherheit an der Talsperre Roßhaupten und erfüllt auch für die Zukunft höchste Ansprüche.
Blick über den Forggensee auf den sanierten Damm
Info-Raum im Kraftwerk Roßhaupten wieder eröffnet
Im Zuge der Erneuerung der Dammdichtung wurde auch der Info-Raum im Kraftwerk Roßhaupten aktualisiert und im Rahmen der Feier wiedereröffnet. Er steht jetzt täglich von 10.00 Uhr bis 17.00 Uhr für Besucher offen. Das aktualisierte Informationsangebot umfasst den Damm, das Kraftwerk Roßhaupten sowie die regenerative Stromerzeugung am Lech. Außerdem gibt es einen historischen Film über den Bau des Damms und des Kraftwerks, einen erst kürzlich fertiggestellten Film über den Forggensee und den Lech sowie einen Film über die Erneuerung der Dammdichtung. Auch auf dem Damm selbst wurde das Informationsangebot aktualisiert. So finden sich jetzt auf beiden Seiten des Damms neue Tafeln über den Forggensee und seine Aufgaben vor allem im Hochwasserschutz. Auch die Informationstafel unten am Parkplatz vor dem Kraftwerk Roßhaupten wurde erneuert.
Aktualisiertes Infozentrum am Kraftwerk Roßhaupten
Filme
Historische Aufnahmen zum Bau des Kraftwerks Roßhaupten aus den Jahren 1950-1954
Forggensee & Lech: Hochwasserschutz, Ökologie und Energieerzeugung im Einklang mit den Jahreszeiten
Einsatz eines Schlitzwandgreifers während der Erneuerung der Dammdichtung 2018
Aufnahmen der Firma Bauer Spezialtiefbau während der Erneuerung der Dammdichtung 2018
Dokumente