Ein Juwel der Technik in den Alpen
Das imposante Speicherkraftwerk Walchensee gilt als Wiege der industriellen Stromerzeugung in Bayern. 1924 fertiggestellt, war es damals mit einer Leistung von 124.000 Kilowatt (124 Megawatt) eines der größten Wasserkraftwerke der Welt. Auch heute noch gilt es mit der Jahreserzeugung von rund 300 Millionen Kilowattstunden (300 Gigawattstunden) als eines der größten Hochdruckspeicherkraftwerke in Deutschland. Seit 1983 ist es ein geschütztes Industriedenkmal.
Die Anlagen am Walchensee sind ein anschauliches Beispiel für ein Speicherkraftwerk. Sie nutzen den Höhenunterschied zwischen einem hoch gelegenen Speichersee, hier dem Walchensee, und dem Walchenseekraftwerk am tiefer gelegenen Kochelsee.
Über die sechs 400 Meter langen Druckrohrleitungen stürzt das Wasser vom Walchensee zu den Turbinen im rund 200 Meter tiefer gelegenen Maschinenhaus am Kochelsee. Nachdem die potenzielle Energie des Wassers in mechanische Drehenergie der Turbinen umgesetzt wurde, fließt das Wasser über den Auslaufkanal des Kraftwerks in den Kochelsee.
Untersuchung des Kesselbergstollen mit dem Tauchboot Jago
Wasserkraft und Naturschutz – Hand in Hand
Ein Blick in die Vergangenheit
Die Bayerische Staatsregierung verfolgte Ende des 19. Jahrhunderts die Idee, Bayern vom reinen Agrarstaat mit Strom aus Wasserkraft in die Zukunft zu führen. Dies war der Startschuss für ein gigantisches Projekt: Dem Bau des Walchenseekraftwerk-Systems, einem System aus Kraftwerken und den zugehörigen Wasserzuführungs- und Ableitungskanälen- und Stollen.
Es begann mit 200 Meter Höhenunterschied
- Erste Pläne, das Gefälle zwischen Walchensee und Kochelsee auszunützen, gehen auf das Jahr 1897 zurück.
- Mit der Inbetriebnahme des Walchenseekraftwerks stieg die Stromproduktion in Bayern 1924 gegenüber 1900 um mehr als das Vierfache an.
- Auf der Luftaufnahme um 1925 ist das fertiggestellte Walchenseekraftwerks (rechts oben der Walchensee) zu sehen. Rechts vom Kraftwerk lagern noch Baumaterialien. Man war sehr stolz auf die ansprechende Architektur des Gebäudekomplexes.
- Bis Ende 1920 wurden für die Projektierung und den Baubeginn 37,7 Millionen Mark ausgegeben. Aufgrund der rasenden Inflation von 1929 ist eine Ermittlung der tatsächlichen Baukosten heutzutage nicht mehr möglich.
Elektrifizierung durch „Knochenarbeit“
- Für den Bau des Walchenseekraftwerk-Systems waren bis zu zweitausend Arbeiter im Einsatz. Genug Wohnraum und Verpflegung zur Verfügung zu stellen, war eine große Herausforderung.
- In zähem Ringen erstritten sich die Arbeiter 1919 eine Achtstundenschicht und eine Lohnerhöhung von 11 bis 15 Mark pro Schicht.
- Die Arbeit auf den Baustellen war sehr hart. Für heutige Arbeitsschutzstandards unvorstellbar. Mit Pressluftbohrer und durch Sprengungen, ohne persönliche Schutzausrüstung wie Gehör- und Atemschutz, trieben die Arbeiter Stollen und Bauwerke voran.
- Die Aufnahme zeigt den Stollenbau mit einfachsten Mitteln: Arbeiter brechen den Kesselberg-Nordstollen aus. Das feste Gestein erforderte keine Auszimmerung, 1921
Stimmen für und gegen das Projekt
- Von Kommunen und Gewerbe hat es eine Reihe von Einwänden gegen das Projekt gegeben. Fast alle Gemeinden entlang der Isar und der Loisach ab dem Kochelsee, auch die Stadt Bad Tölz und die Landeshauptstadt München klagten gegen das Projekt.
- Damalige Fachleute warnten in blumiger, fast poetischer Sprache. Das Kraftwerk würde „die Schönheit und Erhabenheit unseres bayerischen Hochlandes vernichten und den Besuch desselben dauerhaft verleiden“
- Es gab auch kuriose Argumente gegen das Projekt. Dazu zählte die Legende vom Walchensee-Waller, dem „Ungeheuer aus der Tiefe des Sees mit Augen so groß wie Feuerräder“. Dem sagenumwobenen Walchensee-Waller wurde ein Denkmal über dem Nordtor des Wasserschlosses gesetzt, welches auf dem Foto zu sehen ist.
Zuleitungen von Isar und Rißbach
- Damit immer genügend Wasser an den Turbinen ankommt, benötigt der Walchensee mehr Wasser. Dies erfolgt vor allem über die Ableitung der Isar ab Krün.
- Der 1919 begonnene Bau des Isar-Überleitungskanals veränderte das Landschaftsbild der Ortschaften Krün und Wallgau erheblich.
- Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte von 1947 bis 1949 schließlich noch der Bau der Überleitung des Rißbachs aus dem Karwendelgebirge in den Walchensee.
- Das Foto zeigt erste Baumaßnahmen am Wehr in Krün, Blickrichtung ins Karwendelgebirge, März 1920.
Stollen vom Walchensee zum Wasserschloss
- Eine der größten Herausforderungen beim Bau des Walchenseekraftwerk-Systems waren das Einlaufbauwerk Urfeld und der Kesselbergstollen über 1,2 km durch den Berg.
- Mit dem Bau des Kesselbergstollens wurde am 8. Oktober 1919 auf der Nordseite begonnen. Bis zu 500 Arbeiter bauten von zwei Seiten den Kesselbergstollen.
- Der Stollendurchschlag erfolgte am 12. Mai 1921 ohne nennenswerte Abweichung.
- Das Foto zeigt das fertiggestellte Einlaufbauwerk Urfeld, kurz vor der Flutung, Mai 1923.
Wasserschloss und Druckrohrbahnen
- Das Wasserschloss mit 450 m2 Grundfläche und 36 m Höhe kann 10.000 m3 Wasser aufnehmen. Die im Wasserbau übliche Bezeichnung „Schloss“, abgeleitet vom Begriff „schließen“, trifft hier auch als architektonische Bezeichnung zu.
- Mit den Gründungsarbeiten wurde im Sommer 1919 begonnen. Das Bauwerk entstand größtenteils im Fels.
- Der erste Rohrstrang wurde am 1. März 1923, der letzte im Frühjahr 1924 fertig gestellt.
- Auf dem Foto ist die Großbaustelle mit Wasserschloss, Druckrohrbahnen und Kraftwerksgebäuden zu sehen, Juli 1923.
Kathedrale der technik: Walchenseekraftwerk
- Die Maschinenhalle wurde wegen ihrer Architektur als „Kathedrale der Technik“ bezeichnet. Noch heute kündet der Baustil von Stolz und Aufbruchstimmung.
- Ab 1922 entwickelte sich der Bau des Walchenseekraftwerks zu einer großen Attraktion. Im August 1923 wandte sich die Bauleitung deswegen sogar an das Bezirksamt Tölz, um klarzustellen, dass sie bei den an Sonn- und Feiertagen üblichen Massenbesichti gungen keinerlei Sicherheitsgarantien übernehmen könne.
- Am 26. Januar 1924 lieferte das Walchenseekraftwerk erstmals elektrischen Strom in das Netz des Bayernwerks.
- Auf dem Foto sind die letzten Arbeiten vor der Fertigstellung des Daches im Walchenseekraftwerk zu sehen, Dezember 1922.
Oskar von Miller
- Oskar von Miller, (7. Mai 1855 in München; † 9. April 1934 ebenda) gilt zu Recht als der geistige Vater des Walchenseekraftwerks
- Er studierte Bauingenieurwesen an der Technischen Hochschule München und trat 1878 in den bayerischen Staatsbaudienst ein.
- Schon 1881 nahm er unbezahlten Sonderurlaub, um die Pariser Elektrizitätsausstellung zu besuchen und nur ein Jahr später, 1882, organisierte er in München die erste elektrotechnische Ausstellung in Deutschland.
- 1890 gründete er ein eigenes Ingenieurbüro und übernahm 1891 die Leitung der Internationalen elektrotechnischen Ausstellung in Frankfurt am Main.
- Von 1918 bis 1924 war er Projektleiter beim Bau des damals größten Speicherkraftwerks der Welt, des Walchenseekraftwerks
100 Jahre Walchenseekraftwerk
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Informationszentrum Walchenseekraftwerk
Altjoch 21, 82431 Kochel am See, T: +49 88 5177 225